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Rede zur Ausstellungseröffnung - Galerie Beethovenstrasse / Düsseldorf

Der Dresdner Maler Veit Hofmann gehört einer älteren Künstlergeneration an, was man seiner erfrischend jungen Malerei nicht ansieht. Veit Hofmann ist der Sohn des Malers Werner Hofmann und selbst Vater der beiden Maler Paul und Peter Hofmann. er wurde 1944 im legendären Künstlerhaus in Dresden-Loschwitz geboren, wo er seit 1985 wieder wohnt und arbeitet. Der Künstler, Akademieschüler von Gerhard Kettner und Herbert Kunze, begreift seine Kunst als Spiegel seiner inneren Geografie, in der sich Vieles unbewußt abgelagert hat, was im Akt der Malerei zutage kommt. Malerei ist für ihn nicht nur Reflexion des Augenblicks, sondern wird von der Fülle seines Gedächtnisses bestimmt. Hofmanns Malerei entsteht nicht durch Abstraktion. Mit fantasiegeborenen Formen schafft sich der unabhängige Freigeist seine eigene Welt. Die durch Spielerisches und Traumwandlerisches geprägt ist und in der sein und unser Bedürfnis nach Träumen und Visionen anschaulich wird. Seine Malerei beruht auf dem Prinzip der Collage, und tatsächlich hat er ja auch als Collagist Herrvorragendes geleistet. Die Collage wird von Anfang an als Möglichkeit verstanden, mit Fragmenten einer außerhalb des Bildes liegenden Realität der Welt im Kunstwerk habhaft zu werden. Das der Collage innewohnende Experiment dient ihm als Instrument der Erkenntnis. Veit Hofmann geht soweit, dass er seine eigenen Arbeiten zerreißt oder zerschneidet, nicht mit dem Ziel der Zerstörung, sondern um mit Eigenem Neues zu schaffen. Darin spiegelt sich ein nachhaltiges Interesse an der eigenen Entwicklung.

In der auch hinter seiner Malerei stehenden Idee der Collage sieht er die Möglichkeit, verschiedene Zeit- und Realitätsebenen zusammenzuführen, um Vergessenes, Verschüttetes, Verdrängtes, Zurückgehaltenes in neuen Dimensionen zur Anschauung zu führen. Im Nebeneinander und Übereinander der Fragmente erscheinen Vergangenheit und Gegenwart in bewegter Gleichzeitigkeit. In dieser Simultanität entspricht der malerische und zeichnerische Gestus, der Durchblicke, Blockaden, Öfnnungen generiert und die ständige Veränderung in Gang hält. In Veit hofmanns Malerei werden keine endgültigen bildsprachlichen Antworten gegeben, sondern Möglichkeiten aufgezeigt, Individuelles und Allgemeingültiges, Momentanes und Zeitloses verbunden. Seine Bilder können vom Betrachter individuell gelesen und durch eigene Empfindungen ergänzt werden, wodurch der Betrachter selbst in den schöpferischen Prozeß involviert wird. Das macht die Faszination dieser Kunst aus.

Schon früh stellt Hofmann das traditionelle Bild in Frage, das er durch neue Ideen der Bildfindung, der Darstellung und Präsentation verwandelt und neu definiert. Es sei hier nur daran erinnert, dass er noch in DDR-Zeiten gemeinsam mit Otto Sander Tischbein die Telefonkunst erfunden hat, die er für sich als künstlerische Neugeburt erlebte. an die Stelle des kontemplativen Monologs des Künstlers bei der Entstehung des Bildes trat damals die Inspiration durch den telefonischen Dialog. Als Weg aus der Isolation des Künstlers erdacht und auch als Spaß betrieben, wurden die für Außenstehende unverständlichen Telefonkunstaktionen von der Staatsregierung der DDR als subversive Tätigkeit verdächtigt. Dabei ging es Veit Hofmann und Otto Sander Tischbein doch lediglich um die Gewinnung eines neuen bildsprachlichen Experimentierfeldes, das dazu diente, durch die Inspiration des Anderen das Eigene zu entdecken.

Veit Hofmann beschreitet beim Malen Wege zu eigenen Wünschen und Vorstellungen, die sich der Vereinnahmung durch die Gesellschaft entziehen. in seiner Kunst kreuzen sich, unserer Epoche entsprechend, die verschiedensten Einflüsse. Das ist die Folge des heute angesagten Verflechtungsdenkens, das an die Stelle des älteren Trennungsdenkens getreten ist und den komplexen Zusammenhängen unserer Lebenswelt entspricht. Wo die Tradition an ihre Grenzen stößt, werden für den Maler auch ältere Stile und andere Kulturen interessant. Bei manchen Arbeiten von Veit Hofmann werden Erinnerungen an Paul Klee oder Gerhard Altenbourg geweckt, bei anderen denkt man an die deutschen Expressionisten, bei wieder anderen an ostasiatische Zeichnungen oder indianische Chiffren. Der Künstler arbeitet mit Widersprüchen, Stilbrüchen, Bildzitaten, wie es auch das von Hofmann vertretene Prinzip Collage vorsieht. Dabei bezieht sich der Künstler nicht nur auf die ältere Malerei, sondern findet auch in der Literatur seinem Empfinden Verwandtes, das er als Bestätigung seines bildnerischen Schaffens ansieht. Mehrere der hier gezeigten Bilder sind als Hommagen an Kunst und Geistesgrößen bezeichnet (an Le Corbusier, Odilon Redon, Igor Strawinzky, Fritz Winter, Balzac, George Sand u.a.). Sie bestätigen das zuvor Gesagte. Es sei hier auch daran erinnert, dass Veit Hofmann ein bibliophiles und gesuchtes Künstlerbuch über James Joyce's "Finnagan's Wake" gestaltet hat. Sein literarisches Interesse hat ihn schon früh auch mit dem Theater in Verbindung gebracht. Ein Bühnenbild von veit Hofmann für das Staatstheater Dresden ist bis nach Washington bespielt worden.

Das spielerische Element in Hofmanns Malerei steht für Freiheit und Befreiung. Alles Spiel, schreibt Johan Huizingar, ist zunächst und vor allem freies Handeln. In der Sphäre des Spielshaben die Gesetze und Gebräuche des gewöhnlichen Lebens keine Geltung. Für Veit Hofmann ist das Spiel Garant freien Handelns, dient ihm als Strategie seines künstlerischen Schaffens, zunächst als existentielles Drama der Selbstfindung und Selbstgestaltung, später als Modell, um jenen spirituellen Leichtsinn zu erlangen, um im Sinne von Friedrich Nietzsche zum Bewusstsein des Weltspiels vorzudringen, das große Spiel als den Grund des menschlichen Seins zu entdecken. Veit Hofmanns künstlerisches Schaffen scheint unter dieser Prämisse heute besonders aktuell wo das Spiel als Alternative zur totalen Verplanung angesehen werden kann. In unserer Welt der vermeintlichen totalen Ausrechenbarkeit kommt dem Spiel eine neue Bedeutung zu, was auch durch die immer größer werdende Freizeit unterstützt wird.

Das Kunstwerk wird um seiner Wirkung Willen geschaffen und an seiner Wirkung gemessen. Wirkung ist die Intensität des Erlebnisses, die als Wirklichkeit erfahren und begriffen wird.

Prof. Dr. Herbert Dellwing / April 2005

 

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