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Eröffnungsrede - Johannes Schmidt, Januar 2006

 

Veit Hofmann gehört zu den bekannten und gestandenen Dresdner Künstlern, den man hier am Ort, bei einem solchen „Heimspiel“ wohl kaum noch einführend vorstellen muss.

Seit seinem Studium an der Dresdner Kunsthochschule in den frühen 1970er Jahren arbeitet er kontinuierlich und auf breiter Basis mit vielen unterschiedlichen bildkünstlerischen Medien. Das „Herzstück“ seiner Kunst ist die Malerei, doch diese findet nicht ausschließlich auf dem klassischen Medium der Leinwand statt. Veit Hofmann arbeitet sehr häufig mit Papieren als Bildträger. Auf diesem Terrain geht seine Malerei nahtlos in das Zeichnerische, Grafische und in den Bereich der Collage über. Von der Collage ist für den Künstler auch der Weg nicht weit bis zu dreidimensionalen und ortsbezogenen Arbeiten, in denen Zeichnung und Malerei raumerfassende Dimension annehmen.
Wo nun findet man die inhaltliche Klammer, die das Werk eines so produktiven und agilen Künstlers zu einem Ganzen fasst, zu dem was man heute als die „künstlerische Position“ umschreibt?
In Veit Hofmanns Oeuvre von Tafelbildern, Druckgrafik, Zeichnungen, Collagen, bemalten Gebrauchsgegenständen, Buchobjekten, baugebundenen Bildwerken und Kleinplastik gehen einzelne Werke miteinander verflochten auseinander hervor. Sie entstehen wie spielerisch, im immerwährenden Experiment und entwickeln sich in alle Richtungen. Die einzelne Leinwand, das einzelne Blatt ist immer Akzent des Ganzen. Dies ist unter anderem anschaulich daran zu sehen, wie ältere Arbeiten von ihm zwar als solche erkennbar aber bruchlos neben jüngsten Schöpfungen stehen.

Ein innerer Zusammenhang der Kunstauffassung von Veit Hofmann ergibt sich auch aus dem System der künstlerischen Techniken wie sie die bildnerische Tradition entwickelte, und nicht zuletzt auch aus des Künstlers eigenem Leben mit der Kunst, aus seiner persönlichen Erfahrung.

Der Ausgangspunkt im Werk von Veit Hofmann ist jedoch weniger die Welt die wir sehen, als vielmehr das Bild selbst. Wir finden den Künstler oft als so etwas wie einen „Übersetzer“ tätig, der Eindrücke aus der Literatur und aus der Musik in seine jeweiligen Bildmedien überträgt. Bildtitel weisen immer wieder darauf hin – die „Hommage“ spielt eine wichtige Rolle,.
Selbstverständlich arbeitet auch er nicht in einem kreativen Niemandsland – Begegnungen, Inspirationen und Vorlieben gehen in seinem Schaffen auf. Erlebnisse wirken als Katalysatoren, bestimmen die Bühne für ein Werk oder geben den Ton der Stimmung für ein anderes vor.
Andeutungen verweisen auf frühere Kunst, wie beispielsweise auf den abstrakten Expressionismus und das Informel, aber auch auf die Dresdner Tradition gegenständlich-ausdrucksorientierter Tendenzen oder zu Heroen der Moderne, wie Henry Matisse.

Das Prinzip der Collage ist die wohl wichtigste – weil alles verbindende Grundidee in der typischen Vorgehensweise von Veit Hofmann. Das, was er „individuelles Recycling“ nennt, die Wiederverwendung von Ideen und eigenen Produktüberschüssen zum Aufbau immer wieder neuer Werke, basiert auf der Idee des Zusammenfügens von Elementen, die aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang herausgetrennt werden. So wandeln sich Druckstöcke von Holzschnitten zu Reliefs und Teile von gedruckten Radierungen werden zu Collagen.
Wenn Sie sich darüber hinaus die große Holzschnittfahne im Treppenhaus ansehen, so sehen Sie ein gutes Beispiel für diese Arbeitsweise. Wie bei einer Collage sind einzelne Druckstöcke, die einzeln vielleicht auch schon auf kleineren Blättern gedruckt wurden, auf der Papierbahn angeordnet und kombiniert.
Oder – machen Sie sich die Mühe, und verfolgen Sie das Motiv des „Geflügelten“ Wesens in einer der Radierungen von 1997 auf dem Faltblatt durch die Ausstellung.

Der Ausgangspunkt für manche aktuellen Werke, und für manche hier zu entdeckenden Formen, liegt vielleicht schon lange zurück. Im Atelier des Künstlers habe ich, einträchtig zwischen den aktuellen Arbeiten stehend, ein gerahmtes Ausstellungsplakat mit einem in Holz geschnittenen Stilleben gesehen - die Farben alle gedeckter, aber die Formen lassen den Hofmann-Stil genau erkennen. Das war 1974...

Die Arbeitsweise in einem großen und umfassenden Zusammenhang ist für mich das Spannendste an Veit Hofmanns Arbeiten. Ein ganzheitliches Grundprinzip –der Mensch als Teil der Natur gesehen – findet sich auch in Veit Hofmanns Kunst wieder, die wenig Konzepte und Regeln kennt, dafür aber in äußerst subtiler Art und Weise auf Eindrücke und Ideen reagiert.
Das fünfgliedrige Palindrom auf der schon erwähnten Holzschnittfahne (SATOR AREPO TENET OPERA ROTAS) könnte so etwas wie ein Motto sein – von allen Seiten lesbar und erschließbar und trotzdem im Kern geheimnisvoll.
In diesem Zusammenhang kann man es als ein großes Glück bezeichnen, dass der Künstler hier sozusagen seine Karten auf den Tisch legt.
Meist zeigt er in Ausstellungen nur eines seiner Tätigkeitsfelder – Malerei, Holzschnitte oder Collagen. Aber nur in einem Zusammenhang wie er sich hier ergibt, wird deutlich, welchen Stellenwert jede einzelne Werkgruppe hat, was letztlich auch mit dem Ausstellungstitel „Reminiszenzen“ gemeint ist.

Da sich das Werk des Künstlers auf die beschriebene Weise schon weit verzweigt hat, gibt es für ihn allein schon im eigenen Schaffen immer wieder neue Anknüpfungspunkte. Mit jedem der Werke von Veit Hofmann sieht man wie so durch ein Fenster in die reiche Bild- und Lebenswelt, die in mehr als 3 Jahrzehnten künstlerischer Arbeit gewachsen ist. Wolfgang Holler, der Direktor des Kupferstich-Kabinetts, hat den Begriff der „Zaubermühle“ geprägt - eine mehrfach treffende Metapher für Veit Hofmanns Werk und für sein System, aus den verschiedensten Zutaten von Welt, Kunst und Wirklichkeit fließend visuelle Metaphern zu generieren. So formiert sich immer wieder Anderes aus dem Gewesenen, wie sich die kleinen bunten Fitzelchen in einem Kaleidoskop aufs Neue sortieren, nur jeweils vermehrt um das hinzu Erfahrene.

Dass die Kunst bei Veit Hofmann quasi ins Leben hinein wuchert – das ist in diesem Fall nicht bloß eine blumige Metapher. Man erlebt es, wenn man aus Veit Hofmanns Atelier (der von Peter Lang dafür geprägte Vergleich mit einem „Abenteuerspielplatz“ hat sich mir eingeprägt) in den Wohnbereich tritt, dessen Wände und Türen, ausgehend vom Atelier, kunstvoll bemalt sind. Diese Authentizität ist auch in den Arbeiten des Künstlers spürbar.

Die gängigen Fragen des „Entweder/oder“ zur Analyse eines Kunstwerks, wie sie der Kunsthistoriker sich selbst zu stellen gewohnt ist (ist es figürlich oder abstrakt, malerisch oder zeichnerisch angelegt, usw.) führen hier zu keinem Erkenntnisgewinn:
Gegenständlichkeit und Abstraktion sind bei Veit Hofmann miteinander verwandt, sie stehen einvernehmlich nebeneinander. Dies wird aber nicht zu einem vorgeführten Thema. Den Künstler bewegt hier nicht das vorrangige Interesse an den Bruchstellen und der Definition formaler Grenzlinien, welche heute die von den Ideen der Postmoderne und von der Medienerfahrung geprägte junge Malerei oft anregen.
Bei Veit Hofmann stehen figürliche Andeutungen zwischen freien und geometrischen Formen vor monochromen Untergründen, (von denen man nicht genau sagen kann, ob sie selbst Bild, Bildteil oder lediglich Grundierung sind), alles verschmilzt miteinander und fliesst umeinander – ohne ein starres Prinzip zu offenbaren. Es ist schwer zu verallgemeinern, welches Verhältnis zwischen einzelnen Bildelementen besteht.

Dem Künstler kommt es nicht auf das Schaffen von Bedeutung mittels Form und Farbe an - seine Arbeiten sind mehr darstellend als erzählerisch. Wenn man also nach soetwas wie dem Bedeutungskern sucht, so findet man den vielleicht in Form und Farbe selbst? Aber wo genau?

Man trifft auf allerlei Andeutungen - mythische, archaische, informelle, kalligrafische und figürliche - in allen nur möglichen Kombinationen.
In Begriffskategorien gedacht sind das oft Spuren früherer Kunst. Nichts davon kommt jedoch so beharrlich vor, dass man soetwas wie eine bestimmte festgelegte Ausrichtung ablsesen könnte.
Die Formen in Veit Hofmanns Bildern können scheinbar jede Gestalt annehmen, sie sind nicht einheitlich, sondern sprechen vom Prozess ihrer Entstehung, von dem der jeweiligen Arbeit zugrundeliegenden Material und von den verwendeten Werkzeugen.
Grazil und Zart steht neben Derb und Robust, gegenstandsfreie Rythmen und informelle Zeichen neben landschaftlichen oder figürlichen Elementen wie Kopfformen, Augen und Tieren.

Arbeitsprozess und Ausdruck stehen hier in einem engen Verhältnis zueinander.
Das Temperament der Darstellungen wechselt: von wild bis ruhig – auch entsprechend den verwendeten Instrumenten: von Kettensäge und Bohrmaschine (bei den Holzschnitten) bis zum feinen Pinsel. Wechselnd zwischen impulsiv und kontrolliert stellt man sich deshalb wohl zu Recht auch den Arbeitsstil des Künstlers vor.
In Veit Hofmanns Zeichnungen sind starkfarbige großflächige Formen oft von feinen Linien durchwoben und überzogen – im Holzschnitt übernehmen beispielsweise gebohrte Punktstrukturen eine ähnliche Aufgabe. Die Formen der Farbholzschnitte legen sich als transparente, leichte Gitter über zartfarbige Hintergrundflächen. Dies erinnert wiederum an die Collagen mit ihren Einzelteilen, die verschiedenste künstlerische Medien repräsentieren.

Man kann sich kaum vorstellen, dass Veit Hofmann besonders die großen Holzschnitte alle mit der Hand abzieht. Nicht genug, er reibt auch selbst seine Druckfarben aus Pigmenten an, was seinen Farbholzschnitten zu einer so vielfältigen Struktur verhilft. Man wird erkennen, dass die Textur der Farbe kaum zweimal gleich erscheint - mal pulverig, mal fettig, auch transluzent oder lackartig dicht.
Wahre Experimentierfreude hat hier ihren Ausdruck gefunden. Auch das Handwerkliche ist es, was den Künstler interessiert, und genau dadurch kommen seine Medien selbst zum Sprechen.
Für ihn muss die Arbeit als solche spürbar sein – durch körperliche Anstrengung oder durch die Inanspruchnahme von Zeit. Farben herstellen und Handdrucke anfertigen heisst, die künstlerischen Arbeitsprozesse mutwillig zu verlangsamen.
Viele Drucke bleiben deshalb Unikate oder bekommen unterschiedliche Varianten, indem Druckstöcke weiter bearbeitet werden bzw. das Motiv in anderen Farben wiederholt wird.
Das Drucken großer Auflagen entspricht einfach nicht dem vorwärtsdrängenden Temperament des Künstlers, für den das Probieren auch einen besonderen Reiz hat. Was im Experiment verworfen wird, hat wie gesagt noch immer die Chance, zumindest in Teilen als Material für Collagen wieder aufgegriffen zu werden. Hier geht es nicht um ein absolutes „Richtig oder Falsch“ – total verworfen wird wenig. Es herrscht so etwas wie eine „Demokratie der Möglichkeiten“.

Wenn er eine neue Arbeit beginnt, so stellt das weiße Papier, der noch glatte Druckstock oder die Leinwand vor ihm, so glaube ich, keine Hürde, keine Hemmschwelle dar. Wer so arbeitet wie Veit Hofmann, der grübelt nicht lang über zaghaften Skizzen, sondern probiert und experimentiert – bis es stimmt.

Man darf also weiter in jeder Hinsicht gespannt sein und dem Künstler eine nicht versiegende Neugier wünschen! Ich wünsche besonders aus diesem Grund auch seiner Ausstellung großen Erfolg! Berichten Sie von dem was Sie sehen, damit auch andere in den Genuss kommen denn – das ist zwar keine objektiv kunsthistorische Anmerkung, aber – an grauen Wintertagen wie jetzt gerade ist es um so mehr ein Fest, sich einmal für kurze Zeit ganz der lyrischen und lebenszugewandten Auffassung von der Welt hinzugeben, wie sie die Kunst von Veit Hofmann vermittelt.

Johannes Schmidt, Januar 2006

 

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